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Auf dem Weg in die wirkliche Türkei
nachdem ich die Stadt verlassen hatte war ich erstaunlich schnell weg von Allem. 30km nach dem Übersetzen nach Asien war die Gegend so ländlich wie man es sich nur vorstellen konnte. Nur die Symbole von Istanbul an Bushaltestellen und allen möglichen Orten entlang der Strasse erinnerten mich daran was hinter mir lag.
Ich entschloss mich der Küste zu folgen und so schaute ich mir die Mündung des Bosporus an. Kurz davor baut man gerade eine dritte gigantische Brücke über das Wasser und gleich eine komplette Autobahn dazu. So zieht sich eine klaffende Kerbe durch das Hinterland. Meine Idee „immer am Strand lang“ starb nach wenigen Kilometern. Die Armee hatte die Küstenstrasse einfach zum Sperrgebiet erklärt. Entlang der Küste gab es noch einige Stützpunkte die mich immer wieder zu Umwegen zwangen. Durchs Hinterland und über Forststrassen führte mich mein Weg durch Dörfer wieder der Küste entgegen. Die Strecke war ordentlich hügelig, immer ging es rauf oder runter. Ziemlich ermüdend, denn die Gegend war zwar abwechslungsreich aber nicht wirklich fesselnd fürs Auge. Das Wetter war auch nicht wirklich prickelnd und so quälte ich mich die ersten Tage voran.
Die Strassen waren fast alle frisch saniert, wobei der alte Verlauf beibehalten wurde und ich mich teilweise 15% Steigung hinaufquälen durfte… Sile und Agua, zwei berühmte Urlaubsorte an der Küste lockten mich aber auch nicht wirklich hinter dem Ofen hervor. Der Türke hat andere Vorstellungen von schön.
Nachdem ich in Istanbul den Nationalfeiertag begehen durfte erlebte ich in Eregli, meinem letzten Ort an der Schwarzmeerküste, den Todestag Atatürks. Anfänglich konnte ich mit demAufmarsch an Armee und Schulkindern nichts anfangen, aber nachdem um 9:05 die Sirenen zu heulen begannen und alle stehenblieben, ausstiegen und eine Minute der Stille einlegten war ich dann doch beeindruckt. Was da genau begangen wurde erfuhr ich erst kurz danach aus dem Fernsehen bei einem Cay und meinem Börek-Frühstück. Das dieser Tag auch 76 Jahre nach seinem Tod noch so begangen wird lässt den Wert dieses Mannes für die Nation erahnen. In Ankara am Mausoleum malte die Luftwaffe ein riesiges Herz in die Luft und in Istanbul legten Bürger Rosen auf sein Sterbebett. Eindrücklich.
Es wurde Zeit mich ins Landesinnere zu orientieren. Mein nächstes grosses Ziel war Ankara und so bog ich nach Süden ab. Das Küstengebirge und ein paar ordentliche Pässe lagen auf meinem Weg und so hiess es in die Hände spucken und in die Pedale treten. Auf dem Weg nach Mengen sprach mich ein Mann auf seinem Motorroller/Trike an und lud mich zu sich nach Hause ein. Husejin lebt dort mit seiner Frau und dem kleinen Sohn und nahm mich auf wie einen Sohn. Nach einem ersten Essen bei seiner Mutter (die wir unterwegs besuchten) brachte er mich zu sich nach Hause wo ich die Nacht verbringen durfte. Guter Cay in einer völlig überheizten Stube mit supernetten Menschen. Nur die Kommunikation war etwas kompliziert da er nur türkisch sprach. Mit dem Wörterbuch ging es einigermassen.
Am nächsten Tag machte ich mich auf nach Ankara das ich nach einer weiteren Nacht in den Bergen am folgenden Tag erreichte. Die Stadt ist zwar nur ein Drittel so gross wie Istanbul, aber immer noch 4,6 Millionen Einwohner drängen sich in das hügelige Hochtal auf 900-1000m Höhe. So fuhr ich mal wieder stundenlang auf 4-5spurigen Autobahnen stadteinwärts und erreichte die Stadtmitte gegen Abend mal wieder im Dunkeln. Das kleine Hotel das ich mir ausgesucht hatte stellte sich als Volltreffer heraus und so konnte ich nach einer erholsamen Nacht im Einzelzimmer meine Sachen während meines Abstechers nach Deutschland bei Ihnen einlagern.
Nach meiner Rückkehr bleibe ich noch zwei Nächte um mich zu organisieren und die Stadt wenigstens ein wenig zu besuchen… Ankara ist komplett untouristisch und so fand ich nicht einmal eine Wechselstube… Dafür erlebt man hier unverfälschtes türkisches Grossstadtleben und hat einiges zu besichtigen. Die Citadelle die über der Altstadt thront gibt einen tollen Rundblick über die Stadt frei.
Ich war dann aber doch froh wieder raus zu dürfen aus dem Moloch. Dafür musste ich aber erstmal 3 Stunden radeln um wieder die Stadtgrenze zu erreichen. Das Wetter war kälter geworden und gegen Abend gab es dann auch ein ausgewachsenes Gewitter dem ich grade noch rechtzeitig in mein neues Zelt entkommen konnte. Der Morgen hatte dann aber eine unschöne Überraschung bereit. Das Feld auf dem ich lagerte war völlig aufgeweicht und die Zeltheringe fast alle rausgezogen. Beim Abbau stapfte ich durch einen klebrigen Schlamm der mir beim Verlassen nach 10 Metern das Rad völlig blockierte. Also lud ich wieder alles ab, trug alles Stück für Stück zur Strasse zurück. Das musste ich erstmal mühsam vom Schlamm befreien bevor ich an ein Losfahren denken konnte. Die erste Autowaschanlage an der Strasse hatte einen glücklichen Kunden mehr ;-)
Die Strecke von Ankara nach Kappadokien führt über eine Hochebene in der der Salzsee Tuz Gölü (Gölü bedeutet See) liegt. Landschaftlich flach und öde bot es wenig was das Auge fesseln konnte. Die Temperaturen gingen kontinuierlich abwärts und gegen Abend kam meist Regen auf. Schwerstarbeit sich in diesen Tagen zu motivieren. Hinter Aksaray kam ich wieder in die Berge. Feuerrote erodierte Hügel begleiteten mich und gaben Abends den Blick auf schneebedeckte 3000er frei. Mein erster Schnee! Wow…
Der westliche Teil Kappadokiens bietet tief eingeschnittene Täler mit Höhlenstädten und wird eingerahmt von den schneebedeckten Vulkanen der Umgebung. Faszinierendes Panorama. Einzig die Temperaturen machten mir etwas zu schaffen, aber bei Radeln waren es meist nur die Finger die bei Temperaturen unter 5° litten. Abends ging es ins Zelt wo ich die Nächte warm eingepackt trotz Frost gut überstand.
Als ich dann über den Hügel ins zentrale Kappadokien kam verschlug es mir die Sprache. Eine unbeschreiblich schöne Gegend breitete sich unter mir aus. Eingeschnittene Täler mit erodierten Felskaminen die meisten ausgehöhlt und (ehemals) bewohnt. Jahrtausende alte Kulturen haben hier Ihre Spuren hinterlassen und geben der schon einmaligen Natur den letzten Schliff. Ein ganz besonderer Fleck Natur…
Ich gönnte mir drei Tage Pause vom Bike, in denen ich mich, das Bike und die Ausrüstung pflegte und mir die Gegend genauer anschaute. Danach ging es Ostwärts wo ich dem Winter entgegen radeln werde und hoffentlich vom grossen Schnee verschont bleibe.
Meine Reise durch den asiatischen Teil hat mir bisher die unglaubliche Gastfreundlichkeit der Türken gezeigt. Je weiter ich mich von Istanbul entfernte desto öfter wurde ich eingeladen. Der heisse Cay war immer wieder eine Wohltat und oftmals gab es das Essen gleich noch dazu. Bei Problemen waren sie total hilfsbereit auch wenn es schwierig war die Thematik verständlich zu erklären… Aber ich werde immer besser darin ;-)
Tageweise schaffte ich es nicht einen Lira auszugeben ohne Hunger oder Durst leiden zu müssen. Ich wurde in Familien eingeladen und durfte mich an unzähligen Herden wieder aufwärmen. Herrlich so zu reisen…
Ich bin gespannt wie es weitergeht und was mich auf dem Rest der Reise durch dieses faszinierende Land erwartet.
Aber das ist eine andere Geschichte und wird demnächst erzählt…