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70 Tage Iran und was davon bleibt

Auch wenn ich im Iran von allen auch der offiziellen Seite freundlich und zuvorkommend behandelt wurde gab es doch einige Dinge die sich aus meiner westlichen Sicht (aber auch von vielen Einheimischen) als falsch und einschränkend darstellten.
Nachdem ich nun das Land verlassen habe kann ich offener über die Dinge sprechen die ich hier gesehen und erlebt habe.

Der Iran zeigte sich mir als fortschrittliches Land mit einer wissbegierigen hochgebildeten Bevölkerung.
Die Straßen befinden sich (im asiatischen Vergleich)in einem super Zustand.
Die Infrastruktur wird ausgebaut und funktioniert in den größeren Städten mehr oder weniger gut.
Es gibt eigentlich alles zu kaufen was man sich vorstellen kann. Auch wenn manche Sachen illegal ins Land kommen.
Die Sauberkeit ist den Iranern sehr wichtig, in den Siedlungen ist sie sehr vorbildlich auch wenn der Müll am Stadtrand auf wilden Müllkippen gelagert wird.

Was die Bevölkerung (den Teil den ich getroffen habe) am meisten einschränkt sind die Regeln der islamischen Republik.
Die meisten Fragen der Männer galten entweder dem Alkohol oder den Frauen. Durch Ihre Einschränkungen und Ihr (von den westlichen Medien verbreitetes) völlig falsches Bild des Westens hat sich bei Ihnen eine Illusion breit gemacht, dass jede westliche Frau im Handumdrehen zu bekommen wäre. Das Verdrängen jeglicher Sexualität aus dem Alltag führt aber auch zu gelegentlichen Übergriffen auf Frauen. Es ist gefährlich für Frauen nachts alleine durch die Stadt zu laufen. Diese Übergriffe in engen Räumen oder bei Nacht haben dazu geführt das es in der Metro von Teheran, auf dem Bahnsteig und in den Zügen, einen gesonderten Bereich für Frauen gibt.
Die Frauen müssen mindestens das Kopftuch tragen und darüber hinaus ein Obergewand das den Po bedeckt. Es ist Ihnen nicht gestattet Rad zu fahren was auf den Koran zurückgeführt wird, wo Mohammed den Frauen das Recht zu reiten abspricht.
Das Zusammensein von Mann und Frau unterliegt strengen Regeln. Mit einer „fremden“ Frau in einer Stadt herumzulaufen kann zu unangenehmen Fragen nach der Beziehung untereinander führen. Mein Ausflug mit einer Esfahanerin wurde wahrscheinlich nur nicht geahndet da ich Tourist und in Esfahan war... Das Berühren ist eine ganz andere Geschichte. Hier greift die Regelung von Mahram und Namahram. Mann und Frau dürfen sich erst berühren wenn sie die Ehe eingegangen sind (Mahram). Vorher ist dies (außer in der Familie) tabu (Namahram). Dies gilt auch für den Schador, der nur im Kreise der Familie oder dem Ehemann gegenüber abgelegt werden darf. Im Haus wird das mehr oder weniger streng gehandhabt. Ich habe Häuser besucht in denen die Frau den Schador nicht abgelegt hatte während in anderen Wohnungen westlicher Flair herrschte. Auch die Namahram-Regelung wird teilweise locker gehandhabt und so durfte ich mancher Frau auch die Hand geben...
Wie man sieht unterliegt eigentlich nur die Frau einer Einschränkung.
Die Einschränkungen des Mannes halten sich in ziemlich übersichtlichen Grenzen. Das Tragen von Shorts in der Öffentlichkeit gilt als unschick, im Haus hingegen ist sie das Kleidungsstück der Wahl.
In Gesprächen und durch Beobachtung ist mir klar geworden das die Regeln des Islam eine Kapitulation des Mannes vor seinen eigenen Trieben ist. Das Verbot der Frau vor dem Mann zu beten ist einfach damit zu erklären das der Mann sich nicht auf den Glauben konzentrieren kann wenn die Frau vor Ihm den Hintern in den Himmel streckt. Wenn man viele Regeln aus diesem Blickwinkel betrachtet, machen sie Sinn, sind aber auch ein Armutszeugnis für die Männer

Meine Art zu reisen ist eigentlich auch illegal im Iran. Das wurde mir erst bei meinem ersten Besuch auf einem Amt klar. Meine Gastgeber begleiteten mich um zu übersetzen und die Polizei fragte recht unfreundlich warum sie hier wären. Den Iranern ist es nicht gestattet Fremde zu beherbergen. Dies wird mit dem Schutz des Touristen begründet. Es kam wohl in der Vergangenheit zu einzelnen Diebstählen. Ich denke es ist eher ein Schutz vor zu viel Kontakt zu Ausländern... Trotz alledem blühen Übernachtungsnetzwerke wie Couchsurfing und Warm-Showers gerade zu auf im Iran.

Diese Regeln werden mehr oder weniger hart durchgesetzt, je nach Stadt und Stimmung der Obrigkeit. So gab es auf manchen ländlichen Gebieten nur schwarze Schleier zu sehen, während in Teheran der Schleier zu einem Accessoire verkommt der nur noch durch mir völlig schleierhafte Kräfte am Hinterkopf klebt. Genauso wenig verstehe ich wie der Schleier auf dem Motorrad an Ort und Stelle bleibt...

Der Iran ist ein sehr reiches Land, reich an Bodenschätzen (Öl, Gas, Gold, Minerale) doch kommt dieser Reichtum nur bei wenigen Einwohnern an. Im Norden des Iran sieht man diesen Reichtum sehr deutlich in den Wochenend-Siedlungen der reichen Teheraner. Wenn man in Teheran spazieren geht sieht man Autohäuser voller Porsche, Maserati, Ferraris... In den Läden gibt es die teuersten Produkte nur das sich eben nur wenige Bewohner dies leisten können.
Die Sammelboxen die ich in meinem ersten Bericht erwähnte sind staatlich organisiert, das gesammelte Geld wird vom politischen Arm der iranischen Armee verwaltet und laut Aussagen von Iranern ist nicht wirklich klar ob dieses Geld voll an die Armen geht oder doch eher für den Kauf von Waffen verwendet wird. Es ist doch nicht alles Gold was glänzt...
Die Ära Ahmadinedschads wird auch von den Iranern als furchtbare Zeit gesehen. Er radikalisierte die Regelungen im Land und führte mit seiner Politik und seiner Aussagen weltweit zur Isolation des Landes. Es wird einige Hoffnung in den aktuellen Präsidenten Rohani gesetzt.
Der Westen ist unter der Bevölkerung entgegen dem Willen der Regierung sehr beliebt. Amerikanische und westliche Produkte sind trotz gegenläufiger Propaganda das Nonplusultra.
Der Wunsch auf einer Universität im Ausland zu studieren oder das Land ganz zu verlassen ist groß. Viele Iraner sehen unter dem aktuellen politischen System keine Zukunft für sich und das Land.
Nachdem eine Einigung mit dem Westen in der Atomfrage erreicht wurde spielten die Mullah aber gleich wieder die Gegenpropaganda Karte aus und organisierten Proteste gegen die USA und den Westen. Diese Doppelzüngigkeit ist schon bemerkenswert...

Die Einschränkungen der letzten Jahrzehnte haben das Land ziemlich ausgebremst und eine Bastel-Mentalität entstehen lassen die mich stark an den Osten Deutschlands erinnert. Autos fahren so lange wie nur irgendwie möglich und nicht zu reparieren gibt es quasi nicht.

Die Iraner sind sehr stolz auf Ihr Land und vor allem auf die Geschichte. In der vorislamischen Zeit war es eine Hochburg der Kultur und viele Dinge fanden hier Ihren Ursprung. Durch die Islamisierung im Mittelalter sind viele Dinge schritt für Schritt verloren gegangen. Die islamische Revolution hat sicher den größten Einschnitt in jüngster Zeit gebracht. Die Mullahs (die Einheimischen drehen den Zeigefinger wie eine Spirale über dem Kopf wenn sie über sie sprechen) haben mit eiserner Hand die alte Elite des Landes vernichtet und so ein extrem stabiles und auf Furcht aufgebautes Regime über das Land gelegt das einen Widerstand nicht möglich macht.
Ich bin gespannt wie es sich in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Es war auf jeden Fall eine einmalige Gelegenheit dieses System von Innen zu betrachten und viele Vorurteile über Bord werfen zu können. Mein Plan ist es wiederzukommen um dann zu sehen wohin es sich bewegt hat....