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Statistik Roadtrip

Dauer: 18 Tage
Kilometer gesamt: 4300 km
Kilometer getrampt: 3300 km
Kilometer Eisenbahn: 1000 km

Mitfahrgelegenheiten: 34 Personen

Übernachtungen bei Freunden: 13
Übernachtungen in Hotels: 4
Übernachtung draussen: 1

Mal ganz was anderes

Da war doch wirklich der Tag gekommen, an dem ich das tägliche aufs Rad schwingen als Arbeit empfand. Nach über 2 Jahren war der Moment da. Da hilft nur eins, andere Gedanken, andere Beschäftigungen.
So beschloss ich schon auf dem Weg nach Sebastopol mal eine etwas andere Reise zu machen. Trampen in die Berge östlich Kaliforniens. Zum einen um dem Körper mal eine Pause zu gönnen und zum anderen um mal ein paar neue Reize zu setzen.
Die Tage in Sebastopol waren geprägt vom ausruhen, es war jeden Tag eine Herausforderung nichts zu tun. Der Körper ist das weiterreisen so gewohnt das er schon fast mit Entzug reagiert wenn es nicht weitergeht. Nach einer Woche machte ich mich auf die Reise. Zuerst mit der Bahn, denn das Tal nördlich San Franciscos ist ein enges Netz von Straßen. Das war mir zu kompliziert zu Beginn.
So nahm ich die Bahn, hinauf in die Sierra Nevada. An Sacramento vorbei geht es auf einer sich windenden Strecke hinauf in die Berge. Dort hatte es am letzten Wochenende geschneit so dass ich oben im Winter Wunderland ankam.
Da ich ohne Zelt unterwegs war verließ ich mich hier ganz auf Couchsurfing und Warmshowers, die beiden Netzwerke zum übernachten.

Truckee war mein erster Stopp. Hier blieb ich zwei Nächte bei Mike und Kim. Ich besuchte den Lake Tahoe, machte meine ersten Erfahrungen mit dem trampen und mit dem Laufen, denn die 15km am See entlang waren eine völlig neue Erfahrung für mich. Abends fühlte ich mich dann auch dementsprechend kaputt. Die Gegend erinnerte mich mit Ihrer Art an Davos. Wintersportregion mit den gleichen klimatischen (zu wenig Schnee in den letzten Jahren) und sozialen (Mietpreise steigen und normale Menschen können es sich kaum mehr leisten dort zu wohnen) Problemen. Die beiden nahmen mich am nächsten Tag die 30km mit hinunter nach Reno, wo mein nächster Stopp geplant war. Sie fuhren ein Elektroauto das für diese Distanz perfekt war. Die Ladung reicht locker für eine Fahrt, es wird während der Arbeit geladen und bringt beide dann wieder heim. Das ganze für einen Bruchteil der Kosten eines Verbrennungsmotors. Super!

In Reno durfte ich bei Christine bleiben. Mit Ihr und Ihren Freunden Troy und MaryAnn erlebe ich Reno. Die Stadt ist die kleine Ausgabe von Las Vegas. Nevada ist wegen seiner Gesetze zum Glücksspiel voller Casinos und wegen seiner niedrigen Steuern auch eine Heimat großer Konzerne wie Microsoft.
SO ist die eine Seite der Stadt glitzernd (aber nur in der Nacht) während der Großteil der Stadt, wie alle amerikanischen Städte die ich bisher besuchte, eher an ein großes Dorf erinnert. Einfamilienhäuser reihen sich in gepflegten Wohngegenden aneinander, dadurch erstreckt sich die Stadt meist über große Gebiete ohne wirklich vielen Menschen Heimat zu bieten.
Die Kultur in der Stadt wächst (auch aufgrund der Konzerne) und so besuchen wir eine Nacht im Museum mit Musik und Umtrunk. Schönes Museum mit tollem Konzept...
Der Casino-Part der Stadt ist schon schräg, ich laufe einfach mal durch, schaue mir die Menschen an, die Ihr erspartes in Automaten stecken oder am Spieltisch verlieren... Schräge, traurige Show. Viel Einsamkeit hinter der glitzernden Fassade.
Ich darf mit Ihnen und anderen Freunden einen Weihnachtsbaum suchen gehen. Die Regel dort sind so das man ein Permit für einen Baum kaufen kann und dann im ausgeschriebenen Stück Wald bei der Ausdünnung der nachwachsenden Bäume hilft. Die Auswahl hier ist aber nicht wirklich prickelnd, so dass wir einige Zeit unterwegs sind bis wir für alle beteiligten eine passende Pinie (Tannen wachsen hier nicht) gefunden haben...
Troy bietet mir zu guter Letzt an mich nach Salt Lake City zu fahren, was ich natürlich dankbar annehme. 900km durch eine fast Menschenleere Gegend sind mal was ganz neues. Wir wählten den Highway 50 dorthin, der als die einsamste Straße der USA gilt.
900km durch eine teilweise wüstenartige, teilweise prärieartige Landschaft durchzogen von Bergketten. Die konsequent gerade gezogene Linie der Straße war das faszinierendste neben der Landschaft. Durch flache Ebenen führte sie uns von einem Gebirgszug zum nächsten. Wunderschönes weites Land. Leider starteten wir zu spät und erreichten Utah und die vor Salt Lake City gelegenen Salzwüsten in der Dunkelheit. Hier wurden die Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt, denn die Salzflächen hier sind absolut flach.

Salt Lake City begrüßte mich als Lichtermeer aus dem Nichts und ich konnte bei Jessica und Jeff unterschlüpfen. Leider waren die beiden als aktive Mormonen durch die Weihnachtszeit voll ausgebucht und hatten nur am Abend Zeit für mich, aber sie statteten mich mit allem aus was ich für die Zeit in der Stadt brauchte. So ging es am nächsten Morgen ins Stadtzentrum zum Tempel und es begann ein Tag ganz im Zeichen der Kirche der Heiligen der letzten Tage, wie der mormonische Glaube offiziell heißt. Zwei junge Missionarinnen aus Deutschland gaben mir eine Führung und Einführung und legten Zeugnis ab für Ihren Glauben. Die beiden sind für 18 Monate aus Deutschland hierher gekommen um für Ihren Glauben zu missionieren. Das alles läuft auf freiwilliger Basis und auf Kosten des Gläubigen. Ein Orgelkonzert gab mir etwas Zeit zum durchschnaufen bevor ich mit Craig die nächsten Stunden verbrachte. Er gab mir noch einen weiteren Intensivkurs und mit Ihm traf ich auch meinen ersten bekennenden Trump-Wähler im Land. Lange nicht mehr so viel über den Glauben geredet und gehört und ganz viel über diese spezielle christliche Glaubensrichtung gelernt. Er erzählte mir dann noch, dass jedes Mitglied 10% seines Einkommens der Kirche zu gute kommen lässt. Die Details des Glaubens würden den Rahmen hier sprengen, aber im Internet stellt die Kirche eine Unmenge von Informationen bereit um sich näher damit zu beschäftigen (wer daran interessiert ist). Eine Runde durch das Stadtzentrum später war der Tag auch schon rum und es Zeit meine Erfahrungen mit Jeff und Jessica zu teilen. Am nächsten Morgen nahm ich einen Nahverkehrszug aus der Stadt um vom Rand des Ballungsgebietes nach Süden zu trampen zu meinem nächsten Ziel, Moab.

Moab liegt vor den Toren des Arches Nationalparks, einem meiner Hauptziele auf diesem Trip. Die Erosion hat hier über unglaubliche Zeiträume bizarre Felsformationen geformt die ich mir anschauen wollte. Arches bedeutet Bögen und so sind es hauptsächlich die Steinbögen die diesen Park so besonders machen.
2 Tage schlendere und trampe ich durch den park und lerne mehrere supernette Menschen kennen, geniesse die Natur und die Farbenspiele der Felsen wenn die Sonne sich einmal durchsetzt. Untergeschlüpft war ich bei TerryAnn, einem wahren Original... Lebenskünstler und enthusiastische Bikerin bietet sie hier in diesem Bikeparadies eine einmalige Möglichkeit zu bleiben an... Danke dafür, TerryAnn!

Nächster Stop war St. George ganz im Südosten des Staates. Hier wurde es schon etwas wärmer, die Temperaturen waren frühlingshaft und so genoss ich es mal wieder ohne Jacke herumzulaufen. Mit Steven, bei dem ich unterschlüpfte machte ich eine lange Wanderung in die Umgebung der Stadt. Von oben schauten wir auf die Neubaugebiete am Stadtrand hinunter. Jedes Grundstück hatte seinen Pool und die Wohngebiete waren von Golfplätzen durchzogen. Dekadent angesichts der Dürre die hier herrscht.

Am nächsten Morgen ging es dann in den Zion Nationalpark. Eine Schlucht, tief und mächtig... Dort traf ich Martin, einen Piloten aus Österreich, der mich mitnahm auf die Fahrt durch den Canyon. Die Landschaft war wunderschön und die Dimensionen der Felsen eindrücklich. Er nahm mich noch ein Stück mit, in Kanab trennten sich unsere Wege. Ich war am südöstlichen Ende des Monument Valley. Der Ort war einer der klassischen Drehorte so ziemlich jeden Western der in den alten Tagen herauskam. Die Felstürme über der Weite der Landschaft sind das Bild das man von der Landschaft des Westens hat. Von hier sieht man leider nicht viel davon, nur einzelne Felsen, näher heran kam ich diesmal nicht, es zog mich weiter nach Page, der ersten Stadt in Arizona.

Dort wollte ich einen Slot-Canyon besuchen, wir würden im deutschen Klamm sagen. Diese engen Schluchten werden nur hin und wieder von Sturzfluten durchflossen und diese nagen am weichen Sandstein und hinterlassen bizarre Formen. Wunderschön anzusehen und deshalb auch völlig überlaufen. Der Antelope-Canyon liegt auf dem Stammesgebiet der Navajo Indianer und ist eine große Einkommensquelle für den Stamm. Tausende schieben sich jeden Tag durch die enge Kerbe, aber ich bin im Winter hier und es sind kaum Menschen da. Schwer vorzustellen wie es hier im Sommer zugehen muss. Am späten Vormittag ging es dann weiter nach Süden, ein kurzer Stopp am Horseshoe Bend, einer Schleife des Colorado River die wie ein Hufeisen ausschaut und sich eindrückliche 300m tief in den Boden gegraben hat, dann geht es zum Grand Canyon.

Ich erreichte die Schlucht am Abend, kurz bevor die Sonne unterging. Ich war erst einmal sprachlos, der Name verspricht ja schon einiges, aber die Kerbe in der Erdkruste die hier vor mir lag war gigantisch. Unvorstellbar groß und wunderschön. Ganz unten mäanderte der Colorado River hindurch. Teilweise eineinhalb Kilometer tief geht es hinab. Ohne Zelt und ohne Gastgeber entschloss ich mich im Freien zu schlafen. Die Temperaturen am Canyon (die Oberkante liegt immerhin auf 2200m Höhe) liegen nachts knapp unter Null Grad, machbar mit meinem warmen Schlafsack. Ich fand eine Bank keine 2 Meter weg vom Rand und machte es mir dort bequem. In der Nacht klarte es auf und der Vollmond erleuchtete die Schlucht... Mystisch. Es war windig und so blieb es trocken, gegen Morgen ließ der Wind nach und so lag ich in einem patschnassen Schlafsack... Der Sonnenaufgang war herrlich und so machte ich mich danach auf eine kleine Wanderung entlang der Kante.

Auf dem Weg aus dem Nationalpark kam ich dann mit den Park Rangers in Konflikt. Sie erfüllen in den Nationalparks die Polizeiaufgaben. Trampen ist hier verboten, wusste ich nicht. Sie boten mir aber freundlicherweise eine Mitfahrgelegenheit zur Parkgrenze an. Nur musste ich um ins Polizeiauto zu kommen eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Also, Beine breit, Hände auf den Rücken und betatschen lassen. Danach hatte ich einen Ritt im Käfig für 10km und konnte ein weiteres Abenteuer abhaken. Polizeiauto fahren.

Vor den Toren des Parks kreuzte ich die Route 66. Die Mutter aller Straßen ist nur noch ein Flickwerk da sie von der Interstate 40 abgelöst wurde. In Williams gibt es noch ein Stück und das Logo prangt an jedem Haus. Nostalgie-Tourismus pur.

Abends erreichte ich als absoluten Kontrast zu den letzen Tagen Las Vegas. Die Stadt ist ein riesiger Lichterteppich in der Ebene. In Ihrem Mittelpunkt liegt der Strip, eine Anreihung von gigantischen Casino Bauten. Jedes hat ein Motto das mit viel Liebe zum Detail umgesetzt wurde. Einzig der Zweck der Bauwerke wird spätestens im Inneren klar: dem Kunden das Geld aus den Taschen zu ziehen. Aber das läuft auch wie am Schnürchen und es ist auch hier befremdend den Menschen zuzusehen wie sie Ihre Dollars in den Maschinen und auf den Spieltischen verschwenden. Traurig.
Am nächsten Morgen ist der Zauber verflogen und die Straßen sind wieder grau, Obdachlose hängen herum, der Dreck wird zusammengekehrt. Illusion pur.

Von hier aus geht es zurück nach Kalifornien, mit dem Überqueren der Staatsgrenze verflüchtigt sich mein Glück. Das Trampen war eine sehr schöne Erfahrung in den letzten Tagen, ich hatte teilweise 7 verschiedene Leute am Tag die mich mitnahmen, schöne Geschichten, skurrile Momente und ganz liebe Menschen. Nur einmal stand ich für eineinhalb Stunden in der Kälte in der Mitte der Wüste in Utah… Temperaturen unter 0 Grad und 0 Verkehr liessen da schon ein wenig Sorgen aufkommen. Aber auch hier gab es jemanden der mich erlöste :-).Während ich bisher kaum Probleme hatte eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen ist es hier fast unmöglich. Die Menschen geben mir lieber ein paar Dollar bevor ich mein Anliegen nennen kann statt mir zuzuhören. Der Versuch sich von ungewolltem Kontakt freizukaufen. Das Geld weise ich mit einem Lächeln zurück, ich brauche kein Geld ich brauche einen „Ride“... kurz nach Bakersfield verlässt mich mein Glück vollständig und ich beschließe in Wasco einer Kleinstadt 30km nördlich in den Zug zu steigen. Dieser bringt mich nach Fresno und am nächsten Tag bis Martinez von wo ich mit dem Bus nach Rohnert Park fahre wo ich bei Will und seiner Familie unterschlüpfe.

Mein Fahrrad sehe ich am nächsten Tag wieder. Es steht ja noch bei Jessie zuhause, die leider aufgrund von Familienbesuch keinen Platz für mich hat. Sie bringt mir aber meine Sachen vorbei so dass ich 2 Tage später endlich wieder auf dem Rad nach San Francisco aufbrechen kann.

Am Abend erreiche ich die Stadt und radle über die Golden Gate Brücke in die Stadt hinein. Habe ja schon vieles über die Stadt gelesen, man kennt sie aus dem Fernsehen und von Filmen, aber hindurch zu radeln ist doch was anderes. Großartig! Ich genieße zwei volle Tage in der Stadt, laufe herum und habe den Kopf Downtown meist im Nacken um die Häuser zu sehen die hier gen Himmel ragen. In den Wohngebieten geht es ständig auf und ab, die Stadt wurde streng im Schachbrettmuster gebaut die Hügel ignorierend. So führen die Straßen steil den Berg hinauf, in manchen verkehrt noch das berühmte CableCar und es eröffnen sich immer wieder Blicke von Hügeln über Teile der Stadt. Toll! Definitiv eine Reise wert!

In San Francisco endet meine Reise für den Moment. Ich habe beschlossen eine kleine Pause einzulegen. Familie und Freunde treffen und die Sinne mal etwas entlasten, runterfahren. Hoffe meine Neugier und Reiselust kehrt zurück wenn ich voraussichtlich im Mai wieder auf mein Rad steige... Bis dahin werde ich auch einmal die Website aufräumen, Bilder sortieren und vielleicht wieder mal ein kleines Filmchen schneiden… Lasst Euch überraschen!