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Nordwärts

Jetzt sitze ich hier in Fairbanks vor einer Dry Cabin wie die Einheimischen ihre Hütten nennen. Dry, da ohne fließendes Wasser. Aufgrund der kalten Winter ist es nicht gängig das Wasser ins Haus zu legen. So geht man eben regelmäßig zur Wasserzapfanlage in der Stadt und füllt den Vorrat Kanisterweise auf. So komme ich auch einmal in den Genuss den hier oben gängigen „Laundromat“ zu testen. Diese Waschsalons mit integrierter Dusche ersetzen für viele das Badezimmer. Eine von den vielen Unterschieden hier oben. Jeden Tag eine mehr oder weniger bizarre oder amüsante kleine Gegebenheit…

Aber lasst mich von vorne anfangen...

„Think bigger“ war mein erster Eindruck als ich meine erste Runde durch Prince Rupert in Kanada drehte. Die gigantischen Pickups röhrten mit Ihren noch gigantischeren Motoren durch die Straßen, alles war irgendwie genauso wie man sich Nordamerika vorstellen würde. Jeder Mann ein potentieller Holzfäller, Frauen wie Männer in Gummistiefeln unterwegs und später in den Supermärkten traf ich auch auf die berüchtigten Familienpackungen von allem (selbst Salsa-Soße in der 2 Liter Flasche).

Was meinen Atem stocken ließ waren die Preise. Kanada hat ein eigenes Preisniveau, hoffe mal das dies in den Staaten besser wird, ansonsten kann ich mein Budget für die nächsten Monate komplett vergessen...

Prince Rupert ist aber nur ein kurzer Zwischenstopp, meine Weiterreise von hier soll mit den Fähren des Marine-Highways, entlang der Küste Alaskas nach Norden gehen. Diese sind teilweise die einzige Verbindung der Ortschaften im südlichen („Pfannengriff“ genannten) Küstenstreifen zur Außenwelt. Nebenbei ist es ein beliebtes Touristenziel, denn die Strecke führt durch eine wunderbare teils fjordartige Landschaft mitten durch die Inselwelt im Südwesten Alaskas.

Eine weitere Woche auf dem Schiff forderte dann aber auch meine Geduld, denn so langsam kribbelten die Beine und die Reiselust und der Bewegungsdrang waren deutlich spürbar. Nach einem eintägigen Zwischenhalt in Juneau, der kleinen und übersichtlichen Hauptstadt Alaskas, ging es dann hinaus auf den Pazifik und entlang der Küste zur Insel Kodiak und schließlich weiter nach Homer wo ich mich endgültig von der Seefahrt verabschiedete.

Die Woche auf der Fähre war toll, dort und auch auf dem Campingplatz in Prince Rupert hatte ich meinen ersten Kontakt mit Locals und dank fehlender Sprachbarriere waren das meist sehr anregende Diskussionen und Gespräche. Ich hatte meine ersten Kontakte mit der Waffenlobby und religiösen Ansichten und lernte jede Menge liebenswerte Menschen kennen. Fast jeder lud mich für meine weitere Reise auf dem Weg nach Süden zu sich nach Hause ein, mal sehen wie und ob ich das in eine Route packen kann...

Von Homer aus ging es dann über die Kenai-Halbinsel nordwärts. Hier gibt die Natur wirklich alles. Weite Landschaften mit dichten Fichtenwäldern und immer wieder eingestreuten Seen bedecken die Landschaft und werden eingerahmt von eisbedeckten Bergketten. Der Meeresarm des Cook-Inlet, der sich bis hinauf nach Anchorage zieht, öffnet Blicke auf die gegenüberliegenden eisbedeckten Vulkane der ... Kette. Atemberaubend zu jeder Tageszeit, denn im Sommer wird es hier oben eigentlich nicht wirklich dunkel. Die Sonne geht um Mitternacht unter, hebt sich gegen 4 schon wieder hinter dem Horizont hervor und dazwischen bleibt ein leichter Dämmerzustand der wundervolle Stimmungen erzeugt und Lichteffekte heraus zaubert so dass man eigentlich gar nicht mehr ins Bett möchte.

Leider ist die Schönheit der Halbinsel weit bekannt und so schieben sich Legionen von überdimensionierten Wohnmobilen (hier Recreation-Vehicle „RV“ genannt) über die wenigen Straßen die die Halbinsel durchziehen. Ruhiger Verkehr sieht anders aus, ich bin aber auch schlimmeres gewohnt von der anderen Seite des Pazifiks...

Nach 5 Tagen erreiche ich Anchorage wo ich bei Will, Steve und Gus unterkomme. Die Jungs hatte ich zwei Tage vorher am Straßenrand getroffen und sie haben mich spontan dazu eingeladen bei Ihnen zu bleiben.
Aus der einen Nacht die ich plante wurde fast eine Woche, denn Anchorage, Alaskas größte Stadt hat dann einiges zu bieten was ich schon lange nicht mehr hatte. Wir besuchten ein Rockkonzert mit lokalen Bands und am Wochenende fand ein Bike-Polo Turnier statt. Ich konnte mir darunter jetzt nicht wirklich was vorstellen und blieb alleine schon aus Neugier länger. Was ich dort zu sehen bekam war beeindruckend, das Gleichgewichtsgefühl und die absolute Kontrolle über das Rad während man mit einem Schläger in der einen Hand einhändig dem Ball nachjagt... Krass und genial!

Nach einem weiteren Regentag im Haus beschloss ich dann aber wirklich loszufahren. So kam ich mit einigen kleineren Regenschauern zwischendurch am Abend in Palmer an, hier klappte mein (ziemlich kurzfristig angefragtes) Warmshower Arrangement nicht und so ging ich auf den örtlichen Campingplatz. Die Campingplätze hier haben eine etwas eigene (und für Radfahrer auch etwas unfaire) Preispolitik. Man zahlt für den Platz, egal wieviele Menschen dort schlafen. Auch ein Wohnwagenstellplatz gilt als EIN Platz und so berappe ich jedesmal wenn ich mich drauf einlasse rund 15€ für mein kleines Zelt. Das mir dort Jessie über den Weg lief die ich zuvor in Anchorage getroffen hatte war mal wieder ein netter Zufall. Wir beschlossen spontan zusammen zum Matanuska-Gletscher hinauf zu trampen und aus einem Tagesausflug wurde ein Kurzurlaub. Die Familie die uns unterwegs mitnahm lud uns spontan ein zu bleiben, gerne auch noch ein paar Tage über Ihre Abreise hinaus. Das war ein unglaubliches Angebot das wir spontan annahmen. Der Blick von der Hütte über das Gletschertal war fantastisch, das wechselhafte Wetter hier oben brachte neue Ausblicke im Minutentakt und die Zeit verstrich wie im Fluge. Ich liebe solche Momente wenn alles passt...

Die Fahrt mit dem Rad zurück hinunter nach Palmer war klasse. Dem Matanuska folgend ging es durch ein weites Flusstal mit immer wieder tollen Blicken hinein in die vergletscherte Chugach-Bergkette. Von Palmer aus ging es dann hinauf zum Denali Nationalpark. Das Wetter spielte jetzt mit absolut offenen Karten und bot Regen fast ohne Pause an. Am zweiten Tag lockerte es etwas auf und so hatte ich tolle Aussichten auf meinem Weg über den Broad Pass hinüber in den Nationalpark. Aufgrund der nördlichen Lage ist die Vegetation hier oben schon recht spärlich und die Baumgrenze liegt bei rund 600m. So fühlt man sich in dieser Höhe eigentlich schon in den Bergen denn die umliegenden mächtigen Schnee und Eisbedeckten Berge lassen es schon viel höher wirken als es in Wirklichkeit ist.

Auf dem Weg nach oben kam ich an zwei grösseren Baustellen vorbei. Hier liess man mich nicht durchradeln (zu gefährlich!) stattdessen musste ich auf das Pilot-Car verladen. Ein Fahrzeug welches (wie in der Formel Eins) den Anführer spielt und die Leute durch das „Gewirr“ der Baustelle führt. Zusätzlich gibt es hier statt der bei uns üblichen Ampel einen Lotsen (meistens weiblich, blond und supersympathisch) der mit einem Stoppschild (auf der Rückseite steht „Slow“-Langsam) den Verkehr regelt. Auf meinen Hinweis das wir das mit Ampeln regeln kam nur ein „wie unpersönlich!“ zurück… Recht hat sie!

Der Ausflug in den Nationalpark verregnete es mir dann wieder und so fuhr ich mit dem Shuttlebus in den Park. Mein Rad hatte ich für alle Fälle dabei, aber zum Einsatz kam es nicht… Ein Teil der Strecke war wegen eines Erdrutsches eh gesperrt und die tief hängenden Wolken machten die Aussicht auch nicht besser. Höhepunkt des Ausflugs war ein Grizzly am Strassenrand und ein paar riesige Pferd-grosse Elche im angrenzenden Wald. Abends besuchte ich noch meinen Busfahrer in der Mitarbeiterkneipe und hatte mit den Jungs dort noch einen netten Abend.

Von hier aus ging es weiter nach Fairbanks und von dort zu einem speziellen Ausflug, aber davon erzähl ich Euch das nächste Mal mehr.